Die ersten Wochen
Am 10. August 2022 bestieg ich den Flieger nach Bangkok. Die thailändische Hauptstadt ist mit knapp 15 Millionen Einwohnern das politische und kulturelle Zentrum des Landes. Ein Jahr lang sollte ich in dieser riesigen Metropole leben, in eine fremde Kultur eintauchen und mich fast täglich neuen Herausforderungen stellen. Meine Mitstreiter*innen in diesem Abenteuer waren ein weiterer JGAler und fünf junge Leute aus Kolumbien, Kasachstan und Großbritannien, mit denen ich an der Regent’s International School als Gap- Student willkommen geheißen wurde.
In den ersten Tagen wurden wir von unseren Vorgesetzten und Kolleg*innen im Internat begrüßt und mit den Gegebenheiten vor Ort und den Arbeitsabläufen im Boarding vertraut gemacht.
Das Kollegium der Schule haben wir im Rahmen der INSET-Week kennengelernt, welche der Ankunft der Schüler*innen vorangeschaltet war. Die überwiegende Mehrheit der Lehrer*innen an der Regent’s International School ist britischer Herkunft. Das Arbeitsklima wird von der englischen Sprache, dem sehr freundlichen Umgangston und einer durchweg internationalen Atmosphäre geprägt. Die meisten Lehrkräfte verfügen über mehrjährige Auslandserfahrungen und haben bereits an verschiedenen Internationalen Schulen außerhalb Europas gearbeitet.
Die Rahmenbedingungen
Lage:
Die Regent’s International School verfügt über drei Standorte: einen Campus für die Grund- und Weiterführende Schule, einen für das Internat und einen für den Kindergarten und die Vorschule (Langsuan). Der Schulcampus und der Internatscampus liegen etwa einen Kilometer voneinander entfernt und waren meine Haupteinsatzorte. An normalen Arbeitstagen fuhren morgens und nachmittags Schulbusse vom Internat zur Schule und zurück. Trotzdem konnte man die Strecke auch gut zu Fuß gehen, was ich an meinen freien Nachmittagen sehr gerne gemacht habe.
Das Internat liegt im Stadtteil Huai Khwang, in dem es kaum Wolkenkratzer und nur wenige Bürotürme gibt. Das Straßenbild wird vielmehr von kleineren Läden und Garküchen, aber auch von größeren Wohnkomplexen geprägt. Darüber hinaus leben in Huai Khwang kaum „Internationals“, die in vielen anderen Bezirken Bangkoks sehr zahlreich vertreten sind. Stattdessen bestimmen die Thailänder*innen das tägliche Geschehen auf den Straßen. An dieser Stelle möchte ich aus meinem ersten Bericht zitieren, in dem ich meine allerersten Eindrücke Huai Khwangs beschrieben habe: „Wir fuhren durch die lange, sehr lebhafte Straße ‚Thanon Pracha Uthit‘. Wie man es sich vorstellt, drängelten sich unzählige Motorräder durch den bereits dichten Verkehr und am Straßenrand gab es viele bunte Street-food-Stände. Die schmalen Gassen, die von der Hauptstraße abzweigen, enthüllten die Sicht auf das alltägliche Bangkok und die dunklen Wasserkanäle, aus denen Algen empor- und die Hauswände entlangwuchsen. Das Bild wurde gerahmt von tausenden schwarzen Kabeln, die überall in Thailand überirdisch und hoch über den Fußwegen verlaufen. Wo mein Blick auch hinfiel, tummelten sich Menschen. Mir fällt es wirklich schwer die Atmosphäre in einem Wort zusammen zu fassen, aber ich würde sagen, „geschäftig“ trifft es am besten.“
Fortbewegung:
Vom Internat aus lassen sich einige Supermärkte, kleinere Kioske und mehrere Apotheken zu Fuß erreichen. Größere Einkaufszentren und schöne Nachtmärkte lassen sich mit einem Taxi ansteuern. Aufgrund des dichten Verkehrs würde ich es jedoch nicht empfehlen, mit dem Taxi in die Innenstadt zu fahren, was v.a. bei Regen mehrere Stunden dauern kann. Am schnellsten kommt man mit einem Motorad-Taxi oder den öffentlichen Verkehrsmitteln voran, also mit Bus, U- und S-Bahn, für die man sich eine Monatskarte kaufen kann. Generell ist das Verkehrsnetz dem einer europäischen Großstadt sehr ähnlich. Auch wenn man kein Thai lesen kann, ist es relativ einfach, sich zu orientieren, da die Informationen auf den Hinweisschildern ins Englische übersetzt und in lateinischen Buchstaben geschrieben sind.
Wohnen:
Die Gaps wohnen – nach Geschlechtern getrennt – im Mädchen- und Jugendhaus des Internats. Die Einzelzimmer, die ursprünglich als Doppelzimmer für Schüler*innen genutzt wurden, sind sehr geräumig. Sie verfügen über ein Bett, einen Schreibtisch, ein Sofa und einen großen Kleiderschrank. Das bzw. die Badezimmer teilt man sich mit dem übrigen Internatspersonal.
Die Gaps leben also mitten im Geschehen – ohne Zimmerschlüssel und direkt angrenzend an die Zimmer der Schüler*innen. Deshalb war es nicht nur für uns, sondern auch die Schüler*innen und anderen Mitarbeiter*innen im Internat bisweilen schwierig, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit auszuloten. Es ist mir des Öfteren passiert, dass ich während meiner Freizeit Aufgaben erledigen sollte, die eigentlich für den Gap on Duty bestimmt waren oder Schülerinnen spät abends an meine Tür geklopft haben, um mich um Hilfe zu bitten. Erst mit der Zeit habe ich gelernt, in dieser Hinsicht klare Grenzen zu setzen und die mir zustehenden Freiräume zu behaupten.
Generell habe ich das „internationale“ Zusammenleben im Boarding sehr genossen, auch wenn sich dieses eher auf den asiatischen Raum beschränkt. Im Boarding lebten ca. 70 Schüler*innen aus China, Japan, Bhutan, Armenien, Thailand und zwei Schüler*innen aus Wales. Auch an der Schule war die Zahl nicht-asiatischer Schüler*innen sehr gering und bestand hauptsächlich aus den Kindern des britischen Kollegiums.
Das Internat wird streng bewacht, zumal sich einige Kinder aus politisch bzw. gesellschaftlich bedeutenden Familien unter der Schülerschaft befinden. Das Sicherheitspersonal sichert das Gelände sehr gewissenhaft, so dass unbekannte Personen keinen Zutritt haben. Nicht zuletzt deshalb ist es nicht möglich, persönliche Gäste zum empfangen – weder tagsüber noch über Nacht.
Verpflegung & Facilities:
Im Internat gibt es eine Gemeinschaftsküche, die für Schülerinnen und Gaps frei zugänglich ist, einen Gemeinschaftsraum mit vielen Spielen und Büchern, ein Schwimmbad, das die Gaps in ihrer Freizeit nutzen dürfen, eine große Sportanlage mit Fußball-, Basketball- und Federballfeld und einen Geräteraum mit verschiedenen Sportgeräten.
Die Mahlzeiten können – zusammen mit den Schüler*innen – in der Cafeteria des Internats und der Schulmensa eingenommen werden. Leider gibt es sehr wenige vegetarische Optionen und kaum Sensibilität für Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten.
Internet:
Sowohl die Schule als auch das Internat verfügt über WLAN, das allerdings nur bedingt gut funktioniert. Dies ist jedoch kein gravierendes Problem, da die meisten Internet-Anbieter in Thailand (z.B. AIS oder TRUE) zu sehr günstigen Preisen unbegrenztes Datenvolumen anbieten. Insofern ist man fast überall erreichbar und kann auch größere Datenmengen versenden oder herunterladen. Nur während meiner Reisen durch den Norden Thailands hatte ich in den Bergen kaum Empfang, geschweige denn Internet. Für diesen Umstand empfehle ich die Application „Sicher Reisen” des Deutschen Auswärtigen Amtes, über die man mit einem Klick eine vorgeschriebene Nachricht an ausgewählte Notfallkontakte schicken kann. So konnte ich während meiner Reisen auch ohne Internetzugang ab und zu ein Lebenszeichen an meine Familie in Deutschland senden. Manchmal fand ich es tatsächlich auch sehr erholsam, ein paar Tage lang komplett offline zu sein und den Moment ganz für mich zu genießen.
Finanzierung:
Als Gap-Student an der Regent’s International School erhält man ein Gehalt in Höhe von 300 bis 400 Euro, das von Monat zu Monat ansteigt und für die alltäglichen Ausgaben vor Ort ausreichend ist. Die anfänglich abgezogenen Beträge werden am Ende des Jahres in einer Summe ausgezahlt. Das Gehalt erhält man über eine thailändische Bank (Krungthai), bei der über die Schule ein Konto eingerichtet wird. Mit der zugehörigen Kreditkarte kann man fast überall in Asien gebührenfrei Geld abheben.
Nichtsdestotrotz würde ich empfehlen, eine private Kreditkarte mit nach Thailand zu nehmen, um im Notfall auch größere Zahlungen tätigen zu können, z. B. Arzt- und Krankenhausrechnungen, Flüge, Urlaubsbuchungen usw. Nach Vorlage der Einsatzbescheinigung der Gudrun Frey Stiftung wurde mir von der Familienkasse Niedersachsen-Bremen während meines gesamten Auslandsjahres Kindergeld gezahlt.
Weiterbildung:
Während meines Auslandsjahres ergaben sich mehrere Gelegenheiten, an Lehrveranstaltungen in- und außerhalb der Schule zu besuchen.
So habe ich innerhalb der Schule an Vorträgen von Gastredner*innen teilgenommen und unsere Schüler*innen zu Bildungsmessen begleitet, auf denen ich mich auch selbst über die universitäre Landschaft in Europa informieren konnte. Im Rahmen meiner Arbeit im Kunst-Department habe ich an einem internationalen Workshop zum Thema „Kunstdidaktik“ teilgenommen. Die Teilnehmer*innen waren aus verschiedenen Ländern Asiens angereist oder per Zoom zugeschaltet.
Außerhalb der Schule gab es viele Möglichkeiten, u. a. hätte man Sprachzertifikate erwerben können. Ich persönlich habe mich v. a. mit dem Thema der Nachhaltigkeit beschäftigt, welches zurzeit auch die thailändische Jugendkultur prägt. In diesem Kontext habe ich eine Climate Fresk Conference besucht.#
Die Aufgabenfelder und deren Umsetzung
Schule:
Vorab ist es wichtig zu erwähnen, dass ich nicht als Language Assistent, sondern als Gap-Student an der Regent’s School angestellt war. Meine Aufgaben beschränkten sich nicht auf den Sprachenunterricht, sondern umfassten den gesamten Schulalltag. Deutsch wird an der Regent’s International School nicht unterrichtet, entsprechend standen auch keine Sprach-AGs auf dem Programm. Umso mehr lag es jedoch in meiner Verantwortung, mir eigenständig Aufgaben zu suchen, meine Fähigkeiten sichtbar zu machen und somit aktiv zum Schulalltag beizutragen.
In der Schule waren die sieben Gaps auf die weiterführende Schule, die Vor- und Grundschule und den Sportbereich aufgeteilt. Die Einteilung wurde im Verlauf des Jahres teilweise getauscht oder verlief sich immer mal wieder für einige Schulstunden. So half ich ab und zu im Schwimmunterricht, obwohl ich eigentlich in der Grundschule eingesetzt war und durfte entsprechend meiner persönlichen Interessen mehrere Stunden pro Woche im Kunstbereich der weiterführenden Schule aushelfen.
Zu Beginn meines Aufenthalts arbeitete ich primär in der Grundschule im IELD-Bereich (Intense English Learning Development). Die Mitglieder des English-Learning-Teams sind ausgesprochen nett und es hat mir großen Spaß gemacht, am Fremdsprachenerwerb der jungen Kinder beteiligt zu sein. Dennoch war die Arbeit auf Dauer sehr anstrengend, v. a. angesichts der Tatsache, dass die Kommunikation zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen durch große Sprachbarrieren (Englisch, Thai, Mandarin, Japanisch) beeinträchtig ist und die Lernfortschritte zunächst nur sehr klein sind.
Auf eigene Initiative und in Absprache mit meiner Betreuerin im Primary Bereich durfte ich bald auch im Secondary Kunstbereich mitarbeiten. Die Arbeit dort wurde schnell zum Highlight meiner Woche und ich verbrachte bis zum Ende des Schuljahres viele meiner Freistunden und Pausen dort. Das Team bestand aus dem Head of Visual Arts, einer weiteren Kunstlehrerin und einem Kunst-Techniker, die mich alle drei mich mit offenen Armen empfangen haben.
Im Kunstbereich half ich den Schüler*innen bei ihren Projekten und konnte vor allem im IB-Bereich (International Baccalaureate) mit meinem Wissen aus meinem eigenen Kunst-Leistungskurs einiges beitragen. Vor allem zum Ende des Jahres nahm die Unterstützung der IB-Schüler*innen viel meiner Zeit in Anspruch. Zusätzlich organisierte ich gemeinsam mit meinen Kollg*innen die jährliche IB-Ausstellung, in der die fertigen Projekte der Absolvent*innen präsentiert wurden. Des Weiteren erstellte ich Musterlösungen, anhand derer den Schüler*innen neue Aufgabenformate erklären wurden. Dies gab auch mir die Möglichkeit, mich selbst künstlerisch weiter zu entwickeln.
Auch im Grundschulbereich lernte ich mit der Zeit, meine Stärken und Interessen besser sichtbar zu machen und einzubringen, sodass ich in vielen Projekten mitarbeiten konnte. Neben der regulären Unterstützung im Klassenraum und der Arbeit mit eigenen Lerngruppen im ELD-Bereich half ich bei der künstlerischen Gestaltung von Klassenräumen und Theaterproduktionen, bei der Organisation von Schulfesten und begleitete mehrere Ausflüge und Klassenfahrten. Unter anderem ging es auf den Bauernhof, in verschiedene Museen, in Freizeitparks und auf eine mehrtägige Fahrt nach Ayutthaya, die ehemalige Hauptstadt des Königreichs Siam.
Internat:
Die offizielle Arbeit im Boarding setzte sich zusammen aus Afternoon-Duty, Weekend-Duty und Wake-up-Duty. Am Nachmittag haben die Gaps on Duty die Aufgabe, im Internat präsent zu sein, die Prep-Time (Hausaufgabenzeit) mit den jüngeren Schülerinnen zu betreuen, die Mädchen zum 7-Eleven (Kiosk) zu begleiten, eine Anwesenheitsliste beim Abendessen zu führen und gemeinsam mit einer Lehrer*in die Evening-Activity anzuleiten.
Die Weekend-Duty bestand aus der Begleitung eines Ausflugs zu einem Einkaufszentrum in der Innenstadt am Freitagnachmittag, der Begleitung eines Ausfluges am Samstag, der Anwesenheit bei allen Mahlzeiten, der möglichen Hilfe bei Hausaufgaben oder Schulprojekten und evtl. dem Anleiten einer weiteren Aktivität am Sonntag, z. B. Backen oder Kochen. An besonders heißen Tagen oder wenn die Nachfrage von Seiten der Schüler*innen bestand, war die Aufsicht am Schwimmbad zu übernehmen.
Darüber hinaus begleiteten die Gaps die Schüler*innen zu Arztterminen und bei Krankenhausbesuchen oder anderen Terminen außerhalb des Internats.
Zu gegebenem Anlass, wie zum Beispiel an Loy Krathong (Thailändisches Lichterfest), Halloween und Weihnachten wurden die Gaps mit der Aufgabe betraut, Partys für die Schüler*innen zu organisieren.
Die wöchentliche Arbeitszeit betrug zum Teil mehr als 50 Stunden, d. h. ich war sowohl in der Schule als auch im Internat voll ausgelastet.
Krisenbedingte Besonderheiten während des Jahres
Besondere Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen ergaben sich aus den kulturellen und klimatischen Unterschieden, mit denen ich in Bangkok konfrontiert wurde.
Obwohl ich bereits in Kanada gelebt hatte, waren die Erfahrungen des Fremd-Seins in Thailand ganz andere. Abgesehen von den vielen neuen Eindrücken, Erfahrungen und Reizen war es vor allem neu für mich, immer und überall als Fremde oder, wie die Thailänder sagen würden, als ‚Farang‘ erkannt zu werden. Die blonden langen Haare, die grünen Augen und meine Größe schienen Straßenverkäufer, Taxifahrer usw. nur so anzuziehen. Auch die Tatsache, dass ich für viele Monate in der gleichen Nachbarschaft immer noch als Touristin angesehen wurde, brachte mich zum Nachdenken. Als weiße Europäerin bin ich mit dem Privileg aufgewachsen, niemals in meiner Zugehörigkeit hinterfragt zu wer-den – erst in Thailand konnte ich nachempfinden, und das natürlich nur ansatzweise, wie es ist, anders auszusehen und entsprechend behandelt zu werden. Wichtig ist zu sagen, dass ich in Asien, anders als viele Fremde an anderen Orten, keinesfalls schlecht, sondern sehr gut behandelt wurde. Trotz oder gerade wegen der großen Hilfsbereitschaft war das Leben in der Metropole kräftezehrend, da man als ‚Farang‘ ständig mit Angeboten überhäuft wurde. Es gab Tage, an denen ich einfach nur zum Supermarkt laufen wollte, auf dem Weg dorthin aber gleichzeitig eine Bootstour durch die Kanäle, einen Tempelbesuch und eine Tuk-Tuk-Fahrt ablehnen musste.
Das Klima in Bangkok ist von Extremen geprägt. In der Regenzeit bleibt man entweder gleich zu Hause oder man „schwimmt“ gewissermaßen durch die überfluteten Straßen. Im Frühjahr ist die Stadt eine unangenehme Mischung aus zu vielen Tourist*innen, unfassbar hohen Temperaturen, extremer Sonneneinstrahlung, dünner Luft und erdrückendem Smog. Alles ist laut, dreckig und irgendwie feucht.
Es wundert mich nicht, dass viele Reisende Bangkok für einen unerträglichen Ort halten. Oft heißt es – und das habe ich zu Beginn meines Aufenthaltes zugegebenermaßen auch kurz gedacht – drei Tage in Bangkok reichen. Dem muss ich inzwischen entschieden widersprechen, denn um Bangkoks versteckte Schönheit entschlüsseln zu können, braucht es ganz im Gegenteil sehr viel Zeit und auch mehrere Anläufe.
Kontakte
Meine Kontakte innerhalb des Kollegiums waren breit gefächert, da ich mit den meisten Kolleg*innen sehr gerne zusammengearbeitet und mich ausgetauscht habe. Vor allem die Mitglieder der Fachschaft des English Learning Developments und der Fachschaft Kunst haben mich fest in ihr Team integriert und mir mit der Zeit viel Verantwortung übertragen. Auf persönlicher Ebene war es eine neue und tolle Erfahrung, Beziehungen und z.T. Freundschaften mit Personen auf Augenhöhe aufzubauen, die um einige Jahre älter waren als ich.
Auch im Internat waren alle Mitarbeiter*innen sehr freundlich und offen. Angesichts der Tatsache, dass wir oft Tag und Nacht zusammengearbeitet hatten, standen alle Kolleg*innen der jeweiligen Häuser in engem Kontakt. Im Gegensatz zu meinen anfänglichen Erwartungen hat sich die Gruppendynamik unter den Gaps im Laufe des Jahres kaum verfestigt. Selten haben wir alle sieben etwas Gemeinsames unternommen. Einige der Gaps entzogen sich dem Sozialgefüge im Internat schließlich komplett. Dennoch habe ich meine enge Freundschaft zu den kolumbianischen Mädchen genossen und werde hoffentlich auch den Kontakt zu den anderen Gaps halten können.
Ich hatte das große Glück, auch außerhalb des Internats gute Freundschaften zu schließen. Insbesondere mit meiner Kollegin aus dem Kunst-Department verbanden mich gemeinsame Hobbies, wie das Bouldern und der Besuch von Kunst- und Kulturveranstaltungen.
Freizeit und Ferien
Freizeit: Meine Freizeit habe ich, wie schon erwähnt, gerne mit anderen Kolleg*innen verbracht. Angesichts der vielen Angebote in einer Großstadt wie Bangkok ist es relativ einfach, den eigenen Interessen nachzugehen. Meine Erfahrungen zeigen, dass es trotz der hohen Arbeitsbelastung gut und wichtig ist, seine Freizeit außerhalb des Internats zu verbringen und aktiv zu gestalten.
Ferien:
Meine Ferien habe ich vom ersten bis zum letzten Tag für Reisen in- und außerhalb Thailands genutzt. Während ich die ersten Reisen alleine unternommen habe, haben mich gegen Ende meine Mutter bzw. meine Freundinnen aus Deutschland begleitet. Durch das Alleinreisen habe ich gelernt, mich gut zu organisieren, mich immer und überall meiner Sicherheit zu vergewissern und fremden Situationen und Kulturen offen zu begegnen. So habe ich viele Freundschaften geschlossen und kenne nun Menschen aus aller Welt.
Im Oktober verbrachte ich zunächst eine Woche im Norden Thailands, wo ich die Städte Chang Mai und Chang Rai besuchte und eine dreitägige Trecking-Tour durch die Berge unternahm. Diese Wanderung war ein unvergessliches Abenteuer, aus dem ich viel über Land und Leute, aber auch über mich selbst gelernt habe.
An meinem ersten verlängerten Wochenende fuhr ich nach Pattaya, wo ich u.a. einen Surf-Kurs belegte. An einem weiteren Wochenende fuhr ich nach Kanchanaburi, einer kleinen Stadt unweit von Bangkok, die zur Zeit des Zweiten Weltkrieges traurige Berühmtheit erlangte. Beim Bau der sogenannten ‚Death Railway‘ kamen über 115.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ums Leben. Vor Ort konkurrieren die im Krieg und dem Bau der Eisenbahn beteiligten Länder (Japan, England, Australien, Thailand und Holland) um die Erinnerung. Es gibt eine ganze Reihe von Kriegsmuseen, Soldatenfriedhöfen und Gedenkstätten und es war sehr interessant, die unterschiedlichen Formen der historischen Aufbereitung nachzuvollziehen und miteinander zu vergleichen.
In den Weihnachtsferien habe ich einen dreiwöchigen Trip durch die angrenzenden Länder und – erneut – den Norden Thailands unternommen. Mit dem Flugzeug ging es nach Ho Chi Minh City und von dort mit Bus, Bahn und Boot durch Vietnam und Laos und schließlich zurück nach Bangkok.
Vietnam hat mich kulturell überwältigt. Gerade die Stadt Hoi An mit ihrer malerisch märchenhaften Altstadt hat mich verzaubert und ist wohl nicht ohne Grund Teil des Weltkulturerbes. Die Freundlichkeit der Menschen, die überwältigenden Möglichkeiten an Outdoor-Aktivitäten und die langen Gebirgsketten machten jedoch Laos zum absoluten Favoriten der Länder, die ich in Asien besucht habe.
Im Februar konnte ich – gemeinsam mit Till, einem weiteren JGAler – die Klassenfahrt des fünften Jahrgangs nach Ayutthaya begleiten, wo wir die Überreste der ehemaligen Hauptstadt des Königreichs Siam besichtigten.
Im Anschluss hatte ich Besuch von meiner Mutter, mit der ich den Süden Thailands bereiste. Im Nationalpark von Khao Sok war das besondere Highlight die Fahrt über den Cheow Lan Lake mit einer Übernachtung in einem „Rafthouse“. Eine weitere Station unserer Reise war die Küste bei Khao Lak. Wir genossen die traumhaften Strände und unternahmen eine Schnorchel-Tour zu den Similan Islands. Unsere Reise endete in Phuket City – einer Stadt, die uns angesichts ihrer ansprechenden Architektur sehr positiv überraschte.
Im April verbrachte ich schließlich noch zwei Wochen in Indonesien. Abgesehen von der reichen kulturellen Erfahrung, gefielen mir auf Bali die einsamen Strände, die steilen Klippen, die grünen Reisfelder, eine atemberaubende Vulkanwanderung beim Sonnenaufgang und die sehr leckere internationale Küche.
Erwähnenswert ist schließlich noch meine ungeplante Reise nach Malaysia, die ich schon im August 2022 antrat. Aufgrund eines unglücklichen Zusammenspiels von Ereignissen wurde mein Visum bei der Einreise abgelehnt, so dass ich erneut aus- und wieder einreisen musste. Nach aufregenden Stunden konnte ich an der Royal Thai Embassy ein gültiges Visum erwerben. Trotz der Umstände hat mich die Stadt Kuala Lumpur total begeistert und ich habe den Trip nach Malaysia – dank des glücklichen Ausgangs meiner „Mission“ – in sehr positiver Erinnerung.
Die letzten Wochen
Nachdem ich von meiner Reise durch Indonesien zurückgekehrt war, blieben mir noch sechs kurze Wochen in Bangkok. Die Zeit verging wie im Flug und mir gelang es, mein kleines Leben in der großen noch einmal richtig auszuschöpfen. Neben meiner Arbeit verbrachte ich viel Zeit in der Boulderhalle, die zu einem meiner wichtigsten Bezugspunkte wurde. Dort schloss ich viele Freundschaften mit internationalen, aber auch thailändischen Sportler*innen, die ich in guter Erinnerung behalten werde.
Verabschiedung:
In meiner allerletzten Woche lud mich der Kreis der Lehrer*innen, mit dem ich sehr eng zusammengearbeitet habe, zu einem Abschiedsessen ein. Andere Kolleg*innen machten mir kleine Geschenke. Auch einige Schüler*innen malten mir Bilder oder schrieben mir Briefe. Die Eltern des ELD-Bereichs übergaben mir – zu meiner großen Überraschung – sehr kostspielige Geschenke. Was sich zunächst sehr befremdlich anfühlt, erwies sich als thailändischer Brauch, denn auch die an-deren Lehrer*innen berichteten mir, dass sie dies jedes Jahr aufs Neue erleben.
Die letzten Tage verbrachte ich damit, Internatsschüler*innen bei der Abreise zu unterstützen und zum Flughafen zu begleiten. Generell war die Stimmung im Internat emotional sehr aufgeladen, denn viele Mädchen des Abschlussjahres kehrten nun endgültig in ihre Heimatländer zurück und würden sich womöglich nie wiedersehen. Am letzten Abend fand schließlich ein großes Abschiedsgrillen mit dem gesamten Internatskollegium statt.
Referenzen & Sprachzertifikate:
Auf Nachfrage erhielt ich von meinen beiden Vorgesetzten sehr ausführliche Referenzen zu meiner Arbeit und konnte diese dankbar mit nach Hause nehmen.
Ein Sprachzertifikat habe ich nicht erworben, da ich bereits vor meinem Auslandsjahr ein Cambridge Certificate abgelegt hatte. Trotzdem kann ich behaupten, dass sich meine Englischkenntnisse in Bangkok deutlich verbessert haben. Während meiner Arbeit konnte ich viele neue Vokabeln und typisch britische Ausdrücke verinnerlichen und habe gelernt, mich präziser auszudrücken.
Gesamteinschätzung
Um ehrlich zu sein, hatte ich mir mein Jahr in Thailand einfacher vorgestellt. Mit der wohl verzeihlichen Naivität einer frischgebackenen Abiturientin konnte ich mir zu Beginn nicht ausmalen, was es konkret bedeuten würde, in einer so großen Stadt zu leben, in eine so fremde Kultur einzutauchen und an so vielen Aufgaben zu wachsen.
Ich bin froh, dass ich im Verlauf des Jahres keine bedrohlichen Krisen überstehen, sondern nur kleinere Hindernisse, wie z.B. Krankheit, Stress, Sprachbarrieren, Einsamkeit und Heimweh überwinden musste. Dabei half mir die verlässliche Betreuung vor Ort und die vielen Tipps und Hinweise, die ich schon im Vorfeld von der Schule (s. Gap-Handbook) und meiner JGA-Vorgänger*innen erhalten hatte.
Dennoch hatte ich in einigen Momenten den starken Wunsch, die Zelte vorzeitig abzubrechen, auch wenn die Hürden, die sich mir damals in den Weg stellten, im Rückblick schon etwas an Schrecken verloren haben.
Umso dankbarer bin ich, dass ich die Zeitspanne von (fast) einem Jahr zur Verfügung hatte, um mich den täglichen Herausforderungen immer wieder neu zu stellen. So konnte ich (m)einen eigenen Weg ebnen und schließlich mit großem persönlichen Gewinn nach Hause reisen.
Das Leben in Bangkok hat mir gezeigt, dass es im täglichen Miteinander nicht schlimm ist, wenn man nicht über die gleichen Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügt. Gerade im internationalen, aber auch im interkulturellen Zusammenleben geht es vielmehr darum, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu helfen und die Geschichten des jeweiligen Gegenübers wertzuschätzen. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen und wird mich sicherlich auch in Zukunft prägen.
Studienplanung? Wie geht es weiter?
Nach dem Sommer, den ich bei meiner Familie und meinen Freund*innen in Deutschland verbringen möchte, werde ich im September 2023 ein Studium in den Niederlanden beginnen. Vor dem Hintergrund meiner Begegnungen mit und in der südostasiatischen Kultur habe ich mich für den Bachelor-Studiengang Cultural Anthropology and Development Sociology an der Universität Leiden entschieden, der mir mit seinem methodischen Schwerpunkt auf Film und Fotografie persönlich sehr entgegenkommt. Es handelt sich um einen internationalen Studiengang, auf den ich mich sprachlich sehr gut vorbereitet fühle. Meine Erfahrungen und Einblicke, die ich durch die Begegnung mit mir bislang fremden Kulturen gewinnen konnte, haben mich motiviert, mehr über kulturelle Vielfalt und internationalen Austausch lernen zu wollen. In meinem Studium werde ich mich mit Alltagspraktiken von Einzelpersonen und Gruppen auf der ganzen Welt und im Zusammenhang mit den komplexen globalen Herausforderungen von Vielfalt, Nachhaltigkeit und Digitalisierung auseinandersetzen.