„Das Jahr nach dem Abitur hatte schon immer einen hohen Stellenwert in meiner Zukunftsplanung“. So fing ich mein Motivationsschreiben für die an der Gudrun Frey Stiftung an. Und so beginnt auch mein Abschlussbericht um mein Jahr nach dem Abi Revue passieren zu lassen.
Am 31.9.2022 habe ich mein Auslandsjahr begonnen. Heute, knapp 10 Monate später kann ich sagen, dass der hohe Stellenwert, den ich dem Jahr vergeben habe, berechtigt war.
Hinter mir liegt ein aufregendes Jahr, so viel ist passiert. All diese Momente, die ich versucht habe in Berichten und Tagebucheinträgen zusammenzufassen scheinen teilweise so weit entfernt. Niemals könnte ich alles festhalten, was ich erlebt habe. Trotzdem hoffe ich, dass dieser abschließende Bericht einen guten Einblick in mein kunterbuntes Jahr in Nordengland bringt.
Wie es begann
Eine Woche vor offiziellen Schulbeginn reiste ich in Stonyhurst an. Begrüßt wurde ich von der Sekretärin, welche mich dann direkt zum Senior Boarding Staff in SMH brachte. K. als Head of Boarding, seine Frau L. (Houseparent) und SP, der Stellvertreter von Kirk wurden zusammen mit S. (Matron) meine wichtigsten Ansprechpartner in diesem Jahr. Nicht nur arbeitsbezogen wurde mir mit beispielsweise Rückerstattungen oder Vertretung von Duties geholfen, sondern auch privat (von Zelt ausleihen über Mitnahme zum Einkaufen bis zu motivierenden Gesprächen war alles dabei) wäre dieses Jahr ohne sie nicht so reibungslos verlaufen. Von ihnen wurde mir meine Wohnung und das Internat gezeigt. Vor Schulbeginn hatte ich einen INSET Tag mit dem kompletten neuen Staff zusammen am College. Dort erhielten wir unter anderen Einführung ins Safeguarding und Zugänge für unsere Schulaccounts.
Am zweiten INSET Tag waren wir in SMH unter uns, hatten Messe und besprachen den anstehenden Term. Von SP erhielt ich meine Einweisung in die Arbeit im Boarding, zusätzliches Safeguarding Training und Notfallabläufe für bspw. Feueralarm.
Für meine Aufgaben neben dem Internat war M., der stellvertretende Schulleiter, zuständig. Von ihm erhielt ich meinen Stundenplan und er stellte mir alle Personen vor, die ich für die unterschiedlichen Stunden und Pausenaufsichten kennen musste. Ich lernte schnell alle Kollegen in SMH kennen, es ist ein sehr hilfsbereites und offenes Klima im Lehrerzimmer. Einerseits lernte ich die britische Höflichkeit sehr schnell kennen, konnte aber nicht nur in Theorie ständig Unterstützung bekommen. Ich hätte mir kein besseres Kollegium vorstellen können. Gleich zu Beginn wurde ich überall freundlich aufgenommen und alle waren froh über meine Hilfe und verwickelt mich immer wieder aufs Neue in Gespräche. Auch T. und J., die Rezeptionistin, waren immer für mich da.
Begonnen habe ich meine Zeit in Stonyhurst zusammen mit Rosalie, sie war die JGAlerin am College. Wir wohnten bis Dezember zusammen. Bis dahin sah ich sie einige wenige Abenden im Internat, ansonsten war ich in SMH mit Abstand die Jüngste und auch der einzige Gappie. Trotzdem fand ich in zwei Kollegen meine engsten Freunde für den ersten Term. S., ein Lehrer für Naturwissenschaften und La., ein Sport Coach und Houseparent fingen beide zusammen mit mir im September an in Stonyhurst zu arbeiten. Zusätzlich wohnen und arbeiten sie auch beide im Internat, sodass wir uns zusammen einlebten und viel Zeit miteinander verbrachten. Erst ab Januar kamen 3 weitere Gappies ebenfalls 18-19 Jahre alt in SMH an und auch 3 weitere am College.
Eine richtige Einführungszeit gab es für mich nicht. Ich wurde sofort überall gebraucht und wurde teilweise mit neue Duties ins kalte Wasser geschmissen. Beispielsweise wusste ich nicht, wo die Bushaltestelle für die Tagesschüler ist, und musste auf die Kinder vertrauen mir den richtigen Weg zu zeigen.
Direkt von Anfang ging ich sehr in meiner neuen Rolle auf. Ich fand es wahnsinnig spannend nun auf der „andere Seite“ zu stehen. Einfach so ins Lehrerzimmer zu gehen oder Türen mit meiner Schlüsselkarte zu öffnen, was Kinder nicht konnten, war sehr aufregend. Ich freute mich, dass mir so viele Aufgaben zugetragen wurden und ich schnell unter Beweis stellen konnte, dass ich eine wirkliche Hilfe bin und nicht viele Anweisungen brauche. Aber auch ich war ab und zu überfordert.
Meine absolute Horrorduty in den ersten Monaten war Sign Out mit Klasse 5 und 6 am Mittwochnachmittag. Die Tagesschüler finden sich am Ende des Schultages in ihren Jahrgangsräumen zusammen. Wessen Eltern vor der Schule zum Abholen stehen, wird über ein Walkie Talkie durchgesagt. Meine Aufgabe war es die Namen auszurufen und von der Liste zu streichen. Gleichzeitig fragen die Kinder ständig nach, ob sie gehen können. Das Durchgeben von Namen und Jahrgang fand in einem solchem Tempo statt, sodass ich oft nicht hinterher kam alle Namen auf der Liste zu finden. Zusätzlich sind die Tageskinder nicht im Internat, weswegen ich viele Gesichter teilweise nur in den 30 Minute pro Woche sah. Mit der Zeit lernte ich Gesichter und Namen glücklicherweise kennen und zum Ende des Jahres hatte ich eine klare Routine und sogar Spaß bei der Sache.
Recht früh lernte ich das englische Wetter von seiner besten Seite kennen. Es verging definitiv einiges an Zeit, bis ich mich an den Regen gewöhnte. Das Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“ wurde in Stonyhurst definitiv auf einem ganz anderen Level gelebt. Als ich Kinder und Staff im strömenden Regen wöchentlich mehrere Stunden auf dem Rugbyfeld gesehen habe, dachte ich wirklich, dass ich vom Glauben abfalle. Komplett (!!) durchnässt und braune Sportkleidung vom gesamten Matsch war ein regelmassiger Anblick.
Ich glaube nicht, dass ich mich wirklich 100 Prozent daran gewöhnt habe, aber auch ich stand gelegentlich mit Gummistiefel und Regenjacke auf den Feldern, um Kinder anzufeuern.
Jesuit Garden
Wo ich eigentlich bin
Stonyhurst liegt im Ribble Valley in Lancashire im Norden Englands. Mit dem Auto ist es ca. eine Stunde nach Manchester und 15 Minuten zur nächsten Stadt Clitheroe (15.000 Einwohner). Der Campus liegt zwischen Feldern und Wald, zu Fuß ist man in etwa 20 Minuten im Dorf Hurst Green wo sich 3 Pubs und ein Café befindet. Die nächste Bushaltestelle mit stündlichen Bussen nach Clitheroe befindet sich ca. 15 Minuten von der Schule entfernt.
Der Campus besteht aus dem College (Jahrgang 9 bis 13) und der Grundschule St Marys Hall (SMH), welche unterteilt wird in Hodder House (3-7 Jahre) und die Prepschool SMH (Jahrgang 3 bis 8).
Stonyhurst ist eine internationale Internatsschule für Jungen und Mädchen. Sie ist eine von über 800 Jesuitenschulen auf der Welt und folgt dem ignatischen Pädagogikprofil. Schul- und Internatsleben sind sehr vom katholischen Glauben und Tradition geprägt. Von knapp 200 SchülerInnen in SMH sind um die 70 im Internat untergebracht. Dazu zählen full boarder, weekly boarder und flexis.
Insgesamt sind an der Schule bis zu über 10 Nationen vertreten. Untergebracht wurde ich im Internat von St Marys Hall. Dieses befindet sich in den oberen 2 Stockwerken des Schulgebäudes der Grundschule. Jungen und Mädchen lebten gemeinsam im Boarding House, der Mädchentrakt ist aber mit einen Zahlencode vom gemeinsamen Bereich abgetrennt.
Zusammen mit einem anderen Gappie teilte ich mir eine kleine Wohnung mit Küche und Bad. Die Wohnung grenzt direkt an den Gang der jüngeren Mädchen des Internats an. Der Arbeitsweg war dementsprechend nicht vorhanden, ich musste praktisch nur aus dem Bett fallen und schon war ich da. Nachteil war, dass ich selbst an meinem freien Tag die Kinder auf dem Gang hörte. Alle 3 Mahlzeiten wurden täglich in der Mensa („Ref“) gegessen.
Abb. links: Hurst Green, mitte: College Zufahrt und die Kirche St. Peters, rechts: Theater (links) und Kapelle von SMH
Grundsätzlich konnte ich 7 Tage die Woche dies beanspruchen, lediglich an meinem freien Tag verpflegte ich mich meist selbst. Ich hatte einen eigenen Internetzugang sowie ein Office365 Account der Schule und mir wurde ein Laptop der Schule gestellt.
Das Fitnessstudio und die Schwimmhalle durfte ich kostenlos benutzten, musste mich aber vorher in Zeit Slots eintragen, um nicht in Unterrichtsstunden reinzuplatzen. Sporthalle, Bücherei, Musikräume und Tennisplatz konnte ich außerhalb von Unterrichtsstunden ebenfalls frei benutzen.
Da ich kein Visum bekommen konnte, was bezahlte Arbeit erlaubt, bekam ich kein monatliches Gehalt. Die Schule übernahm aber An- und Abreise, sowie weitere Transportkosten wie bspw. Taxis zum Flughafen. Ich habe über das gesamte Jahr mein Kindergeld bekommen, wessen Antrag ohne weitere Probleme genehmigt wurde.
Im Rahmen meines Internatstraining durchlief ich Onlinekurse zum Thema Datenschutz, Safeguarding und den Umgang mit Medikamenten. Zusätzlich absolvierte ich einen Kurs der Boarding Schools‘ Association (BSA) zur Einführung in die Internatsarbeit. Dieser wurde von der Schule bezahlt und weitergehend bestand auch die Möglichkeit an weiteren BSA Kursen teilzunehmen.
Was ich den ganzen Tag so mache
In Jahrgang 7 und 8 wird in SMH Deutsch unterrichtet. Dafür kommen die Deutschlehrer aus dem College mitsamt Rosalie als JGAlerin in der Woche rüber in die Grundschule. Somit hatte ich bis auf Hilfe in den Hausaufgaben- und Internatsstunden kein Kontakt zum Deutschunterricht. Deswegen auch die Bezeichnung „gap student“ (Gappie) und nicht JGAlerin.
Ich arbeitete 6 Tage die Woche, mit Dienstag als mein freier Tag. Pro Term hatte ich Anspruch auf ein freies Wochenende (Samstagabend und Sonntag). Das Internat war der Hauptbestandteil meiner Arbeitszeit. Unter der Woche arbeitete ich morgens von 7– 8.30 und abends von 18 bzw. 19 – 22 Uhr im Internat. Samstags startete die „abends“ Duty bereits 15 Uhr. Sonntags war ich von 8 Uhr bis 22 Uhr bis auf eine Stunde durchgehend on Duty.
Die Routine des Morgens lief wie folgt ab: Mädchen auf meinem Gang wecken, gemeinsam zum Frühstück gehen, Mädels bereit für die Schule machen (Haare kämmen, ggf. Ersatzteile an Uniform besorgen) und anschließend Zimmer kontrollieren sowie abschließen.
Zu Beginn der Internatszeit am Nachmittag / Abend trafen sich alle Kinder und Staff für eine kurze Besprechung. Anschließend hatte ich täglich von 19.30 – 20.30 eine unterschiedliche Aktivität zu beaufsichtigen (Snack, Duschen, Schwimmen, Playroom). Ab 20.30 war ich auf den Korridoren des Mädchentrakts stationiert und führte die Abendroutine durch. Dies bedeutet Handys zu den vorgegebenen Zeiten einsammeln, für Ruhe während der Lesezeit sorgen, sicherstellen, dass alles für den nächsten Tag bereit war und in jedem Zimmer das Abendgebet vor dem Schlafen durchführen.
Am Wochenende gab es längere Abschnitte in denen ich im Internat Sport, den Kunstraum oder die Korridore beaufsichtigte. Sonntag ging es nach der wöchentlichen Messe auf Ausflüge mit den Kindern. Beispiele hierfür sind Kino, Bowlen, Lasertag, Schwimmbad, Freizeitpark oder Cart fahren, jede Woche fand etwas anders statt. Einmal im Term blieben wir im Schulgebäude, gingen spazieren, schauten Filme oder spielten Verstecken in der gesamten Schule.
Abb. links: Hodder Fluss, mitte: Schulhof SMH, dahinter Rugbyfelder, rechts: beim Ausritt
Zusätzlich kann man noch 1 – 2 Stunden wöchentlich einrechnen, in der ich Admin Aufgaben fürs Internat erledigte, diese waren aber meist selbstgesucht und erleichterten mir meine Internatsarbeit ungemein.
Jeweils am ersten und letzten Ferientag (Travel Day) arbeitete ich, um die An- und Abreise der Internatskinder zu ermöglichen. Dazu gehöhrten auch Fahrten zum Flughafen und Gastfamilien, um Kinder wegzubringen oder abzuholen oder auch ein Escort Trip nach Madrid für die spanischen Internatskinder.
Tagsüber war ich im ganzen Schulgebäude verteilt. Ich hatte sehr viele Pausen- und Mensaaufsichten, Lesestunden mit Klasse 2 im Englischunterricht, begleitete Klassen zum Schwimmunterricht, half im Theater und Musikunterricht, brachte Tagesschüler abends zur Bushaltestelle, beaufsichtigte Hausaufgabenstunden (Studies) oder Klausuren und unterstützte freiwillig bei AGs wie Judo und Bogenschießen.
Zusätzlich half ich im Französischunterricht, wenn ich nicht zu viel zu tun hatte. Über diesen festen Stundenplan hinaus half ich gelegentlich bei Sportveranstaltungen als Schiedsrichterin, begleitete Ausflüge zum z.B. Pferdestall mit der Pony AG und half bei den Theaterproduktionen als Backstage Managerin. Auch wurde ich ab November Teil der German Society am College und organsierte zusammen mit Rosalie Treffen. Dafür opferte ich auch meinen freien Tag. Ich freute mich über die Möglichkeit, Deutsche Gespräche zu führen und Menschen zu treffen, die etwas näher an meinem Alter waren.
Durch das Ankommen von 3 neuen Gappies im Januar hat sich mein Arbeitspensum in den letzten 6 Monaten minimal verkleinert. Hauptsächlich ermöglichte mir die neue Unterstützung mehr Abwechslung, was meine Arbeit anging.
Wen ich kennengelernt habe
Schon im letzten Bericht habe ich erwähnt wie viele Freundschaften ich in diesem Jahr, vor allem in den letzten Monaten, finden konnte und wie dankbar ich dafür bin. Ohne die Menschen um mich hatte ich das Jahr mit so viel Arbeit mitten auf dem Land niemals schaffen können.
Das Kollegium war sehr herzlich und familiär. Jeder kannte jeden und wir standen uns immer bei Problemen zur Seite. Gemeinsam wichtelten wir an Weihnachten oder aßen jeden Freitag zusammen Croissants vor dem Staff Meeting. Eigentlich war immer jemand im Lehrerzimmer, um einen Kaffee oder Tee zu trinken und sich über die neusten Geschehnisse zu informieren. Und das ging mit Putzfrauen, Schulleitung oder Boarding Staff gleichermaßen gut.
Das Lehrerzimmer wurde mit seiner Kaffeemaschine und Fernseher auch indirekt zum Wohnzimmer des junior Boarding Staff. Sobald der day staff weg war hatten wir alles für uns und besonders am Wochenende fand man uns nach um 10 immer auf den Sofas. Zumal es der einzige Ort war, wo wir ungestört mit den männlichen Kollegen zusammen sein konnten, da wir durch das Wohnen auf den Internats-Gängen nicht in den jeweilig anderen Zimmern erlaubt waren.
Abb. links: Staff Room, rechts: Hodder House – Pre-Prep
Zur Schulleitung hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Ich konnte bei Fragen und Unsicherheiten immer zu ihnen kommen und es wurde sich auch regelmäßig nach meinem Befinden erkundigt. Besonders meine Chefin im Pre-Prep wurde eine große Stütze für mich. In Hodder House arbeiten insgesamt nur 8 Frauen und da ich fast jeden Tag drüben bei ihnen (Hodder House ist ein kleines Gebäude direkt neben dem Schulhaus der Grundschule) war lernten wir uns schnell ziemlich gut kennen. Ich liebe die Stimmung im Pre-Prep vor allem der gelebten Frauen-Power wegen.
Besonders der Boarding Staff, bestehend aus 15 Personen, wobei 11 den Kern als Residentials (leben mindestens 5 Tage die Woche im Internat) bildeten, war an sich eine große Familie. Durch das hohe Arbeitspensum, besonders an den Wochenenden unterstützten wir uns sehr und hockten ständig aufeinander.
Schwierige Situationen, wöchentliche Meetings und Ausflüge sowie gemeinsame Grillabende in den Ferien brachten uns sehr zusammen. Dass ich die ersten 4 Monate trotz des tollen Kollegiums mich manchmal alleine fühlte, war unumgänglich, zumal ich mit Abstand die Jüngste war und durch meine breitgefächerte Arbeit nicht wirklich zu einer Gruppe außerhalb vom Internat gehörte.
Glücklicherweise änderte sich das ab Januar schlagartig. Besonders meine neue Mitbewohnerin aus Simbabwe und die 2 Jungs aus Australien wurden meine engsten Bezugspersonen. Zusammen mit den 3 australischen Gappies vom College und einigen Sportassistenten aus dem College wurden wir eine schöne soziale Gruppe. Da wir alle unterschiedlichen Tage frei hatten und auch am Wochenende 6.30 aufstehen mussten, war es manchmal nicht ganz so entspannt und einfach zusammen in den Pub zu gehen. Aber wir alle mussten ab und zu vom Campus runter und weg von den Kindern.
Mit einigen JGAlerinnen hatte ich regelmäßig Kontakt während des Jahres. Ein Treffen haben wir leider nicht geschafft, aber es war sehr hilfreich sich über Telefonate und WhatsApp Nachrichten über die Arbeit auszutauschen. Mit Greta werde ich die letzten Tage vor dem Abflug nach Deutschland in London verbringen.
Ich könnte wahrscheinlich noch viele Seiten über die Menschen aus dem vergangenen Jahr füllen, aber das würde den Rahmen sprengen. Wichtig ist nur zu betonen, dass ich genau das aus dem Jahr mitnehme, was ich mir neben den persönlichen und fachlichen Erfahrungen am meisten gewünscht habe: internationale Kontakte, die ich nicht so schnell vergessen werde.
Wenn ich mal nicht arbeite
In meiner, doch recht überschaubaren Freizeit, ging es vor allem darum Ausgleich zur Arbeit zu schaffen. Hauptsachlich hieß das Schlaf nachholen, Spazieren gehen oder Sport machen. Ich genoss die Zeit in der Natur und war immer wieder darüber überrascht, wie grün alles ist. An meinen freien Tagen fuhr ich entweder nach Clitheroe und Whalley oder ging auf stundenlange Spaziergänge durchs Ribble Valley und lernte die Umgebung ziemlich gut kennen.
Während den Ferien konnte ich grundsätzlich immer in meiner Wohnung bleiben. Dies nahm ich meist für die letzten Tage der Ferien in Anspruch, um nochmal ordentlich Kraft zu sammeln bevor die Schule wieder losging. Ansonsten versuchte ich meine Ferien so viel wie möglich von meiner neuen Heimat zu sehen. Gäste konnte ich mit Antrag während der Ferien beherbergen, da keine Fremde ins Internat, während der Term Zeit durften.
Insgesamt hatte ich mit 11 Wochen ziemlich viele Ferien. Im Oktober Half Term fuhr ich nach Deutschland. Im Dezember reiste ich allein durch Schottland und traf dann anschließend meine Familie in London für Weihnachten. Zusammen verbrachten wir noch einige Tage in Kent am Meer über Silvester, bevor ich noch ein paar Tage alleine in meiner Wohnung verbrachte, bevor die Kinder zurück kamen. Im Februar brachte ich die spanischen Internatskinder nach Madrid und verbrachte die Woche bevor ich wieder mit ihnen zurückflog, dort und besuchte Barcelona, sowie Toledo. Das Gute daran war, dass Flüge sowie Unterkunft von der Schule bezahlt wurden.
In den 3 Wochen Osterferien bekam ich zum ersten Mal Besuch von Freundinnen. Zusammen mit Schul- und Kindergartenfreundinnen besuchte ich Manchester, Liverpool und London. Anschließend reiste ich noch ein wenig allein durch England und schaute mir Bristol, Glastonbury und Birmingham an. In der letzten Ferienwoche im Mai ging es für mich nochmal nach Schottland. Zusammen mit den australischen Gappies fuhr ich ein paar Tage nach Edinburgh und anschließend ging es für mich zum ersten Mal allein zelten in die Highlands. Ich hatte eine wunderschöne Woche mit bestem Wetter und bestieg sogar Ben Nevis, den höchsten Berg der Insel.
Wie es endet
Nach meiner tollen Zeit beim Zelten und Wandern, fingen die letzten 4 Wochen in SMH an. Und diese hatten es in sich. Examen Woche, Projekttage, Boarders Camp, Parents Weekend, Musical Aufführung und Ruds Ball, ein Event folgte dem nächsten.
Ich hatte viel zu tun, hatte nicht viel Zeit mich mit dem Gedanken des Abschieds zu beschäftigen und ehrlicherweise wollte ich das auch nicht. Ich blickte dem Ende etwas ängstlich entgegen, vor allem da ich nicht wusste, wie emotional ich werden würde. Trotzdem hatte ich auch Vorfreude auf zuhause. Ich freute mich sehr auf den Sommer in Deutschland und den neuen Lebensabschnitt. Von der Arbeit her war ich dann auch bereit zu gehen. Neben all dem Positiven war das Jahr auch sehr anstrengend und verlangte viel von mir ab. Es waren mehr die Menschen und der Ort, die es mir schwer machten zu gehen. Ich erhielte wundervolle Referenzen vom stellvertretenden Schulleiter, meiner Chefin im Pre-Prep und der Internatsleitung. Gleichzeitig hörte ich von allen Seiten nochmal, was ein tollen Job ich gemacht habe, dass ich der Beste Gappie seit langem war und dass sie mich alle im September vermissen werden.
In den letzten 2 Wochen fing ich an zu realisieren, dass ich nicht mehr viel Zeit in Stonyhurst hatte. Nebenbei fing ich an zu packen und nahm die vielen Bilder von meiner Zimmerwand, welche die letzten Monate die kleine Wohnung in SMH zu zuhause gemacht haben. Und dann fingen schon die letzten Male an. Das letzte Mal Messe in St Peters, die letzte Englischstunde mit PP2, das letzte Mal in Clitheroe, der letzte Spaziergang und das letzte Wecken der Mädels. Am letzten Schultag gab es eine Verabschiedungsveranstaltung in SMH für den ganzen Staff. Neben uns 4 Gappies verließen auch 4 sehr wichtige und langjährige LehrerInnen die Schule. Es war ein sehr schöner Nachmittag, aber auch sehr traurig und stressig, weil wir nebenbei noch einige Kinder im Internat hatten, sodass wir uns mit der Aufsicht abwechselten.
Von da an begleiteten mich sehr gemischte Gefühle. Ich verlasse Stonyhurst definitiv mit einem lachendem, aber auch einem weinenden Auge und bin noch nicht vollständig am Realisieren, dass das Jahr vorbei ist.
Im Großen und Ganzen
Wie bereits zu Beginn erwähnt, waren die 10 Monate voller Erlebnisse und Erfahrungen. Ganz klar eine Achterbahn der Gefühle. Ich habe so viel gelernt, vor allem im Umgang mit Kindern, aber auch über mich selbst. Glücklicherweise kannte ich mich und meine Grenzen schon vor meiner Zeit in England ziemlich gut, sodass ich dieses Jahr in kein wirkliches Loch gefallen bin. Ich bin sehr realistisch und optimistisch, dadurch wusste ich immer, dass nicht so schöne, stressige und traurige Momente meist nur temporär sind. Ich nutzte meine Energie lieber dafür Probleme zu beheben, als mich an ihnen aufzuhalten. Dass man Gefühle aber auch zulassen muss, habe ich besonders im Weihnachtsterm gelernt. Die 4 Monate bis Januar waren definitv der anstrengende und härtere Teil meines Jahres. Allein ohne soziale Kontakte außerhalb der Arbeitszeit mitten auf dem Land, umgeben von einer fremden Sprache, brachte einige Momente der Unsicherheit mit sich. Als ich in den Oktoberferien eines Trauerfalls wegen spontan nach Deutschland flog ging es mir nicht gut. Ich wollte das Erlebnis die vollen 10 Monate nicht in Deutschland zu sein haben. Ich wollte alle Ferien nutzen die grüne Insel kennenzulernen. Es fühlte sich ein bisschen wie Aufgeben an, als ich in den Flieger nach Frankfurt stieg.
Glücklicherweise lernte ich schnell nicht so hart zu mir zu sein. Die Zeit mit meiner Familie war das Richtige, was ich zu dieser Zeit brauchte. Es hat mir gezeigt wie sehr ich auf meine Liebsten vertrauen kann und dass Selbständigkeit, was einer meiner liebsten Eigenschaften an mir ist, nicht bedeutet alles allein durchstehen zu müssen. Die Freude des Zurückkehren nach den 2 Wochen zuhause haben mir auch gezeigt, wie gut ich mich in Stonyhurst eingelebt hatte und dass ich ein zweites Zuhause gefunden hatte.
Auch die vielen dunklen, regnerischen Tage im Winter und die lange Arbeit haben mich im Dezember manchmal runtergezogen. Am besten half mir dabei, richtig, noch mehr Arbeit. Meine eigenen kleinen Projekte für die Kinder und die strahlenden Augen hielten mich am Laufen und zeigten mir, dass ich alles richtig mache und wirklich dorthin gehöre, da ich Einfluss habe und Dinge verschönere/verbessere. Am meisten bleiben mir die selbstdesignten Namensschilder und Wochenpläne, meine wöchentlichen Fotorückblicke für die Kinder im Internat, die Ausflüge zum Pferdestall und die Nikolausaktion im Gedächtnis.
Dankbarkeit von Kollegen und Kindern haben mich allgemein in diesem Jahr bestätigt, dass die Arbeit in einer Schule definitv das Richtige für meine spätere Laufbahn ist. Auf mein neues Wissen über englische Kultur und englisches Leben, sowie die Sprache bin ich sehr stolz. Vor allem durch den Tod der Queen im September habe ich Feste erlebt, die selbst Engländer noch nie erlebt hatten. Ich lernte einerseits sehr vornehmes Englisch, drücke mich sehr bedacht und höflich aus, andererseits fing ich ab Januar an wie junge Erwachsene in meinem Alter aus englischsprachigen Ländern zu sprechen. Dazu zählt neben alltäglichen Redewendungen und Abkürzungen auch ein großes Vokabular an Schimpfwörtern. Auf Letzteres muss ich nicht unbedingt stolz sein, aber das sind Dinge, die man schlecht im Englischunterricht in Deutschland lernen kann. Die Sprache von
Muttersprachlehrern zu lernen war einer der größten Bereicherungen in diesem Jahr.
Zu meinen Höhepunkten zählen zahlreiche Momente mit den Kindern. Insider auf dem Gang und die schnellen Szenenwechsel Backstage bei den Musicalproduktionen sind nur ein Teil davon. Einer der besten Erlebnisse mit dem Internat war definitv das gemeinsame Campen im Sommer. 3 Tage verbrachten wir auf einem großen Feld in der Nähe vom Fluss am Hodder Court (ca 20 Minuten von der Schule zu Fuss). Dies war eine kleine Reise in die Vergangenheit, denn Hodder House am Hodder Court ist der Ursprung von SMH, dort wurden die ersten Kinder unterrichtet. Wir verbrachten die meiste Zeit damit am Feuer zu sitzen, in der Sonne zu liegen, im Fluss zu schwimmen und ganz viel Cricket und Fussball zu spielen. Es war toll die Kinder so frei zu sehen. Keine Abendroutine, Streitereien, Haarwaschtage oder getrennte Internatsgänge. Alle spielten zusammen und die Kinder freuten sich am meisten, dass es keine Süßigkeiten Begrenzung gab (normalerweise gibt es sowas wie Schokolade oder Chips im Internat nur mittwochs und samstags).
Das Beste für mich war definitiv Samstagabend. Wir hatten eine weitere Runde der Talent Show. Dafür kamen auch einige TageslehrerInnen und Freunde des Internats zum Zuschauen. Diesesmal waren wir durchgehend am Lachen. Viele hatten sich etwas Lustiges und Unterhaltsames ausgesucht. Es war wild, kunterbunt und so witzig, wie unser Internatshaus. Zusammen mit einem Mädchen aus Klasse 5 habe ich für diesen Anlass „Mama Mia“ umgeschrieben. Der Text handelt von unserem Internatsleben, Handys verstecken, im Gang rennen, Vordrängeln an der Dusche und einiges mehr (den Text habe ich zum Schluss angehängt). Damit haben wir auch den Kreativpreis gewonnen. Es war so schön vor allen zu singen und meine Riesenfamilie des letzten Jahres zum Lachen zu bringen.
Das Schönste im ganzen Jahr war ganz sicher die Gemeinschaft in SMH, ganz nach dem Slogan „a family like no other“. Das Boarders Camp steht stellvertretend für das ganze Jahr. So viele Kindern, Erwachsenen und Freunden, die mir dieses Jahr so ans Herz gewachsen sind, waren dabei und es bildete einen tollen Abschied kurz vor den Ferien.
Trotz des vielen Arbeiten, kaltem und regnerischen Wetter und teilweise Einsamkeit war dieses Jahr ein voller Erfolg. Es war ein gutes erstes Jahr weg von zuhause. Ich konnte im Rahmen der geschützten Internatsfamilie lernen komplett für mich, meine Wohnung und Dinge wie Wäsche waschen verantwortlich zu sein. Der routinierte Arbeitsalltag, die Interntaskinder für die ich teilweise alleinige Verantwortung hatte sowie das Catering- und Putzteam ermöglichten mir das erste Jahr ohne Mama und Papa nebenan so kontrolliert wie möglich zu absolvieren.
Ich bin der Gudrun Frey Stiftung sehr dankbar für all die Möglichkeiten, die ich in Stonyhurst hatte. Ganz besonders aber, dass ich so viele Menschen kennenlernen konnte, die an mich glauben, mich angenommen haben, wie ich bin, mir ihre Dankbarkeit gezeigt haben und die mir Sichtweisen mitgegeben haben, die ich nicht so schnell vergessen werden.
Wie es weitergeht
Das vergangene Jahr hat mich nicht von meinem bereits bestehenden Berufswunsch der Lehrerin abgebracht. Auch wenn ich die negativen Seiten des Lehrerdasein kennengelernt habe, überwiegen die vielen schöne Momente zusammen mit den Kindern sehr. Ich habe mich für Lehramt an Gymnasien für die Fächer Englisch und Sozialkunde beworben und hoffe sehr ab Oktober an der Universität Rostock zu studieren.
Early Bed – Here we go again
8.30 and it’s time to hand in your phones
Sophie put it away, I said “hand in your phones”
Look at me now, oh I need to go to the CP And she suddenly loses control
There’s a fire within her soul
Just one sound and you’re on early bed
Just one sound and you’re on early bed
Whoa early bed here we go again
My My, can you not be quite
Early bed, I don’t wanna do this
Why why does it always have to be me
Minutes since you took my phone
Now I can’t call home
And I’m gonna throw a massive tantrum
Girls be quite ae you even listening?
Figures be the example!
If you wanna do sport, sir is waiting downstairs
If I see you running you’ll be straight back up here
Can I have a star? Been a good girl
You still owe me tuck from the day before
There’s a fire within my soul
Miss why are they allowed to skip the queue?
Mind your own business go tidy your room
Whoa alle those boarding rules
They drive us so crazy
Mama Mia all those boarding rules
There’s a new one every day
Now we all are camping
Cricket and football playing
So much tuck for everyone
Mama Mia we need some extra shade
Why why is it so hot?
Mama Mia where is all the water?
My My who stole my paper cup?
Mr Stokes, scared of birds and Mr Flanagan probably is laughing
Miss Chenell what we’d do without you?
And love to all the funny (original: childish) Gappies.
Yes, We gonna be broken hearted
Blue since the day we part
Why why do you have to let us go?
Mama Mia what a special year
We hope you all had a good time!
Boarder’s Camp June 2023
Text by Sophie-Joy and Miss Geiss
Music “Mama Mia” – ABBA